Ich bin euch, aber auch mir wieder ein paar Worte schuldig. Weil es euch interessieren kann, wenn euch grad mal langweilig ist. Und weil's mir eigentlich ganz gut tut, das Schreiben, das Worteln, das Formulieren, Fokussieren, Einfangen, Festmachen.
Die Zeit jetzt gerade ist komisch. Weil ich in einer Phase bin, in der ich vorher noch nie war. Es ist irgendein Abnabelungsding und klar, das gabs vorher auch schon. Aber jetzt geht es in eine neue Runde und es passiert so schnell und teilweise so heftig, dass ich manchmal nur dasitze und staune.
Ich hatte nicht damit gerechnet. Ich hatte nicht daran gedacht.
Bisher schob ich das meiste von dem, mit dem ich so umzugehen habe, auf meinen Vater. Der war dafür verantwortlich, dass ich vor Dingen stehe, mit denen ich alleine nicht mehr klarkomme. Das ist auch ziemlich einfach, er ist krank, sieht nicht klar, ich halte ihn für unreif, bezeichne ihn als Idioten - wie konnte der auch irgendwas richtig machen. Es war so einfach, auf ihn wütend zu sein. Väter sind sowieso schwierig und schnallen nichts und meiner gab dazu noch ein ziemlich gutes Feindbild ab. Denn: Auf Leute, die einem mit ihrer Dummheit weh tun, ist man ja öfter mal wütend, das kennt man schon, da hat man Übung.
Aber bei vielen Dingen heißt es ja zurecht "dazu gehören immer zwei". Und bei einem Kind ist das auch so. Da gehören zwei zu. Ein Vater und eine Mutter. Ein Vater, der so war, dass er seinem Kind nicht gerecht wurde - aber auch eine Mutter, die vielleicht mehr da war und mehr Verantwortung übernahm, aber dennoch ihrem Kind nicht gerecht wurde.
Und das ist der Knackpunkt, für mich. Meine Mutter erstmals in das Bild miteinbeziehen. Erstmalig sehen, dass sie auch an mir schuldig geworden ist. Meine Mutter war der Elternteil, der immer da, immer präsent, immer verantwortungsvoll war. Es fällt schwer, da eine Anklage zu formulieren, einen Vorwurf auszusprechen.
Meine Mutter und ich haben viele gute, ehrliche Gespräche geführt, sie versteht sich gut mit meinen Freunden und ich mich auch meist mit ihren, wir haben Ähnlichkeiten, die mir wichtig sind, in der Trennung meine Eltern sehe ich mich nicht als ein Opfer, sondern als eine ihrer Verbündeten, ihrer Unterstützer in diesem Schritt - wie gesund das ist bzw. nicht ist, ist mir momentan noch eine Nummer zu groß, um ehrlich zu sein. Sie folgt mir auf Twitter, sie liest meinen Blog, wir sind bei Facebook befreundet, wir schreiben uns Emails und SMS.
Und noch vor wenigen Wochen hätte ich euch gesagt, dass meine Mutter und ich eine fast freundschaftliche Beziehung haben.
Aber: You live, you learn. Und was ich jetzt lerne, ist: Auch wenn das alles so... nett und okay erscheint - es ist es nicht. Was ich vorher als freundschaftlich bezeichnet hätte, ist für mich jetzt nur noch eng, zu eng. Da ist so vieles, das nicht in Ordnung ist. Da ist vieles verkehrt gelaufen. Und leider hat meine Mutter, bei aller Mühe, die sie sich gegeben hat und immer noch gibt, manches ziemlich verschissen, ums mal so umgeschminkt zu sagen.
Und... an diesen Gedanken muss ich mich noch gewöhnen.
Zur Zeit lasse ich am meisten die Wut zu. "Gefühle sind nicht richtig oder falsch, Gefühle sind." habe ich gelernt und ich beherzige es und lasse zu. Da ist meine Wut. Die ist da, die ist nicht richtig oder falsch oder ungerechtfertigt, weil meine Mutter es doch wirklich versucht hat. Nein, die ist da! Genauso wie die Verletztheit und die Trauer und der Schmerz und die Einsamkeit - das ist alles da und es ist gut so! Weil ich mich nicht rechtfertigen muss dafür, dass ich menschliche Erfahrungen mache und menschlich fühle.
Ich weiß noch nicht, wieviel ich noch aufschreiben werde von dem, was mir zur Zeit im Kopf rumschwirrt. Jetzt bin ich erstmal wieder leer.