2011-06-25

Noch so ein Blogpost, den ich meinem Vater vielleicht einfach als Mail schicken sollte.

Mein Vater mochte Electric Lights Orchestra, weshalb wir es auf Kassette (!) im Auto hatten und viel hörten. Und gerade wird mir klar, dass ich Electric Light Orchestra mit meinem Vater verbinde und das überhaupt nicht weh tut oder negativ ist. Das ist nett. Diese Dinge zu finden, die nicht weh tun.
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Du singst "everybody's gotta learn sometimes" und dann denkst du an deinen Vater und findest "nein, nicht unbedingt. Vielleicht." Redete neulich mit Schwester Nr.1 über Vater und sie erzählte, dass sie sich noch erinnern kann, wie ich mich früher schon darauf freute, … … mich als Erwachsene immer noch gut mit meinem Vater zu verstehen und eine tolle Vater-Tochter-Beziehung zu haben. Und ich weiß auch noch, wie ich mich darauf freute, mit meinen Kindern dann ihren Opa zu besuchen. Und ich hoffte, dass er nicht vorher an … Lungenkrebs sterben würde. Jetzt denke ich, dass meine Kinder ihren Opa nur kennenlernen werden, damit ich kein zu schlechtes Gewissen habe.
Irgendwann rufe ich ihn an und erzähle ihm, was für ein blöder Versager er ist. Was für ein Idiot. Irgendwann kann ich das.
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Erst die positiven Gedanken.

Es ist nett, wenn mich etwas an meinen Vater erinnert, ohne das "dieser verdammte Idiot" und diese ganze Wut gleich wieder hochkommt. Gerade bei Sachen aus meiner frühen Kindheit geht das. Musik, die wir begeistert gehört haben. Witze, Geschichten, Späße. Dass sein Bart gekratzt hat beim Kuscheln. Ich kann zurückblicken und weiß, dass er auch damals nicht unbedingt ein guter Vater war, wahrscheinlich eigentlich keine Ahnung hatte, was er tut. Bestimmt ist er auch damals schon Auto gefahren, obwohl er viel zu müde war und ständig kurz vorm Einschlafen war. Und er hat auch damals schon nur das gemacht, wozu er Lust hatte. Aber zu diesen Gedanken kommen keine negativen Gefühle, keine Wut. Hauptsächlich ist da mein kindliches "Papa ist lustig! Und toll!"

Und dann kommt das, wo ich älter war. Und sein Bild anfängt zu bröckeln. So etwas wie "irgendwann werd ich erwachsen sein und mich auch als Erwachsene toll mit meinem Vater verstehen und das wird schön sein" - da müsste ich 8 Jahre, vielleicht etwas jünger, vielleicht etwas älter gewesen sein. Mit 13 Jahren fing dann ja schon das ganze Verstehen und Wissen an. Dass Mama es als Fehler betrachtete, ihn geheiratet zu haben. Dass es die Ehe meiner Eltern noch beschissener war, als ich es ohnehin schon mitgekriegt hatte, und dass das zu großen Teilen sein Verdienst war. Und bei diesen Erinnerungen kommt dann die Wut. Weil die damals auch schon da war und meine heutige Wut der Wut von damals nur die Hand reichen muss. Und dann ist "Papa" auf einmal nicht mehr lustig und toll. Dann bin ich wütend. Weil er beim Gute-Nacht-Geschichten erzählen einschlief. Weil er lieber am Computer saß, als mit uns einen Film zu gucken, zum Beispiel. Weil er es allen Ernstes wagte, uns zu sagen, wir sollten unser Zimmer aufräumen (Schwester Nr.1 irgendwann: "Räum du doch erstmal deins auf.") oder uns nicht so von der Familie abkapseln ("Maria, iss doch auch mal mit uns Abendbrot." "Mal? Du bist doch derjenige, der nie dabei ist, wenn wir essen!"). Weil er nicht diskutieren konnte und seine Meinung immer der Weisheit letzter Schluss war. Weil er unsensibel war. Weil er Musik kritisierte, die ich gerne hörte. Weil er sich über meine Meerschweinchen lustig machte. Weil er hin und wieder glaubte, er hätte Autorität - Himmel, wie das nervte. Weil wir bei nächtlichen Autobahnfahrten neben ihm saßen und seine Augen überwachten und aufpassten, dass er nicht zu langsam blinzelte beziehungsweise sogar einschlief. Weil ihm meine Sorge wegen seines Rauchens egal war, als ich 6 Jahre alt war, als ich 11 Jahre alt war und weinte ("Maria hat geheult wie ein Schlosshund!"), und als er Diabetes bekam, was in Kombination mit Nikotinkonsum eine großartige Chance auf einen Schlaganfall ergibt.

Hallo "Papa".

Ich möchte so gerne, dass du aus deiner kranken Welt rauskommst. Und gesund wirst, und erkennst, was du verändern musst, damit du der werden und sein kannst, der du schon längst sein solltest. Und ich hoffe das, weil ich mir für dich wünsche, dass du mit deinem Leben klar kommst und glücklicher wirst, als du es jetzt bist und weil ich gerne hätte, dass wir zumindest miteinander klarkommen können, wenn du mir auch nicht mehr der Vater sein kannst, der du mir hättest sein sollen.

Und ich hoffe, dass du endlich verstehst, damit du siehst, wie sehr du verkackt hast. Damit du fühlst, wie scheiße es mir ging und geht und auch immer wieder gehen wird. Ich hoffe, dass dir die Erkenntnis deines Versagens so weh tut, dass du halb wahnsinnig wirst, so wie ich, wenn ich meinen Kopf gegen den Boden schlage, weil das das einzige ist, was ein kleines Gefühl von Erleichterung schafft und weil ich mich für Sekundenbruchteile ganz und ungeteilt fühle. Ich will, dass du stundenlang weinst, weil es dir so leid tut, deinen Kindern das angetan zu haben. Und weil du endlich verstehst, dass wir gute Gründe haben, uns eine nach der anderen von dir abzuwenden, und dass du für diese Gründe gesorgt hast.

Ja, ich will, dass du verstehst, einfach nur, damit dir das alles richtig scheiße weh tun kann. Gleiches Recht für alle.

Und ja, irgendwann werde ich diese Wut gehen lassen (müssen). Aber jetzt noch nicht.

2011-06-22

"dieser Text. oder diese Geschichte. oder dieses Ding in meinem Kopf, das nicht mit mir reden will. Arschloch."

Ein Text, den ich vor längerer Zeit geschrieben habe. Stark gekürzt und mehr oder weniger "entpersönlicht". Eigentlich nur hier, weil ich sprachlich manches davon sehr mag. In drei Teile aufgeteilt, weil ich irgendwann versuchte, es nach verschiedenen Aspekten zu sortieren.


Der ganze Text, ohne Klammern und in der Ursprungsreihenfolge, ist mir zu privat für hier. Das kann ich nicht. (Und ja, ich als bekennende Menstruationstwittererin kann auch kaum glauben, dass ich das schreibe.)


(Nett, wie vieles ich heute nicht mehr so sehe. Obwohl ich mir in dem Moment sehr, sehr sicher war.)
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dieser Text. oder diese Geschichte. oder dieses Ding in meinem Kopf, das nicht mit mir reden will. Arschloch. (I) 

"Würdest du mich einfach so mögen, wäre da ja nichts, was ich erreichen und auf was ich stolz sein kann. Das wäre ja viel zu einfach! Das wäre ja, als würde der eigene Vater einen liebhaben, obwohl man gar nichts dafür getan hat!" (...)

"Wenn mir einfach so Interesse entgegen gebracht wird, muss ich ja nichts leisten."(...)

"Sollte da irgendein Unterschied in der Sympathiemenge vorhanden sein, dann nur, weil ich das so will. Und es so einrichte. Blöderweise. Weil irgendetwas in mir zu glauben scheint, dass das so muss. Der andere kann mich nicht einfach so toll finden wie ich bin. Das kann nicht stimmen. Da muss eine Diskrepanz her. (...) Weil ich nunmal ich bin. Und andere nicht. Und ich war bisher mickrig und deshalb ist es nur logisch, dass ich auch mickrig bleibe. Es kann ja wohl kaum sein, dass ich nicht mickrig bin, sondern mich nur so fühle. Nein, das stützt sich schon auf Erfahrungen, einschlägige. Ich bin so vieles nicht wert, weil das so istDas war schon immer so. Kein Fehler in der Matrix." (...)

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dieser Text. oder diese Geschichte. oder dieses Ding in meinem Kopf, das nicht mit mir reden will. Arschloch. (II) 

(...)"Ich sehe am Tag mindestens zwei Menschen, in deren Lächeln ich mich auf der Stelle verlieben könnte. Und mindestens genau so viele Augen, die genau die richtigen Blicke haben. Und mindestens genau so viele Hände, die mich schlichtweg verzaubern, in den simpelsten Momenten. DU BIST ERSETZBAR. Du bist nur einer von vielen, deren Aufmerksamkeit ich möchte, weil ich da irgendein nimmersattes schwarzes Defizitloch in mir habe. Und es läuft rum und sagt "Hunger" und ich esse und esse und am Montag gibt es einen Apfel und am Dienstag zwei Pflaumen und am Samstag Eiscreme und Kuchen und Pizza und Gummibärchen, aber das nimmersatte Defizit ist immer noch nicht satt. Und dann gibt es Menschen. 'Guck mal der, der ist schön. Und der. Und der. Und wenn der da mich schön, toll, bemerkenswert in irgendeiner Form finden könnte, wäre ich glücklich. Aber es kann auch der sein. Oder der.'

Weil ihr alle egal seid. Es geht um mich, ausschließlich."
 (...)

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dieser Text. oder diese Geschichte. oder dieses Ding in meinem Kopf, das nicht mit mir reden will. Arschloch. (III) 

"Würdest du mich einfach so mögen, wäre da ja nichts, was ich erreichen und auf was ich stolz sein kann. Das wäre ja viel zu einfach! Das wäre ja, als würde der eigene Vater einen liebhaben, obwohl man gar nichts dafür getan hat!" (...)
"Ja. Letztlich alles, was mein Vater
[Anmerkung: Inzwischen schiebe ich das nicht mehr nur auf ihn, sondern auch auf andere.] an mir verbocken konnte. Da kommt das kleine Mädchen her, das so unbedingt geliebt werden muss für all die tollen Sachen, die es hinkriegt. Immer auf der Suche, nach Anerkennung, nach Liebe, Bewunderung - nicht aus Oberflächlichkeit, sondern aus einem ganz grundsätzlichen Bedürfnis heraus. Die Suche ist das einzig Bekannte. Und wenn dann jemand versucht, das zu erfüllen, das Gesuchte zu sein, wenn da jemand passt, weil er das Gesuchte ist - das geht nicht. Dann ist das einzige, was man kennt, weg. Die Suche. Die Suche ist schon so lange da, die kann nicht einfach weg sein. Alle anderen sind erst später dazu gekommen, die dürfen die Suche nicht verdrängen. Und wenn sie das tun, entscheidet man sich halt und dann natürlich für das, was einem vertraut ist. Suchen. Immer weiter. An allen überhaupt möglichen Zielen vorbei, weil der Weg das Ziel ist und die Suche der Schatz, der einem immer einen Regenbogen voraus ist."

2011-06-18

Was ich sollte.

Und ich sollte schreiben, damit der ganze Kopfmist einen Platz bekommt, wo er hin kann. Und damit ich nicht in mir drin wieder und wieder alles sage, bis ich's nicht mehr hören will und kann und bis ich's mir vor allem nicht mehr glaube. Ich sollte das rauslassen, weil es in mir drin verrückt wird und nicht weiß, was es tun soll und weil, sobald ich etwas mehr darüber nachdenke, sobald ich es mir etwas länger angucke, schier wahnsinnig werde und mir die Tränen in die Augen steigen, viel zu leicht, weil das doch meins ist, was da rennt und verrückt wird in dieser Enge und in dem nicht Rauskönnen und in den endlosen Relativierungen. Und in der Wortlosigkeit und Bildlosigkeit und irgendwann Gefühllosigkeit durch Abstumpfung. Es rennt im Kreis und schmeißt sich gegen die Wände und wird wahnsinnig und ich werde mit wahnsinnig, denn, das ist doch meins, das bin doch ich! Das soll doch nicht leiden!


Ich sollte und müsste schreiben. Schon ein paar Sätze wie diese bringen Erleichterung. Ich müsste einfach nur weitermachen und weitergehen. Es wäre gar nicht so schwer, schwer kommt es mir nämlich nur vor, solange ich nicht damit anfange.


Aber es wäre auch nicht leicht. Und ich bin müde. Ich bin müde, ich bin müde, immer, wenn es drauf ankommt, bin ich müde. Also setze ich mich hin und lenke mich ab, mit irgendwas, alles wird begeistert angenommen, was auch nur irgendeine Ablenkung verspricht. Ich lenke mich ab "und tue so, als würde ich nicht denken." Und hoffe, dass Das Da in mir aufhört zu wimmern und mich vorwurfsvoll anzustarren. Und dass beim nächsten Mal wieder irgendeine gute Ablenkung zur Verfügung ist, damit ich mich um Gottes Willen nicht mit meinen Gordischen Knoten beschäftigen muss.