2012-05-28

Noch mehr für den "Dinge, die ich bin"-Katalog.

(Wirklich nicht. Ich und Temperament? Ich bin doch so ruhig, so rational, so zurückhaltend. Ich hab mir meine eigentlich laute Art einfach weggelogen, wahrscheinlich weil ich sie schlecht bewertete. Laut sein. Laut sein ist eine Form von Schwäche und als Frau hat man erst Recht nicht laut zu sein. Nicht, dass ich diese Gedanken je laut formuliert hätte, aber ganz unbewusst schwang vielleicht genau das mit. Inzwischen lerne ich und weiß es besser, aber diese Feststellung von außen überrascht mich immer noch.) 


Ich kann viel und stark fühlen und trotzdem auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Ich ENTSCHEIDE mich, viel zu fühlen. Ich entscheide mich, jetzt rumzuheulen anstatt stark zu sein.
(Voll gut. Ich mag das. Mein Herz überwältigt nicht meinen Kopf und mein Kopf macht mein Herz nicht klein. Ausgewogenheit, endlich mal. So soll das.) Ich habe ungesund viel Selbstbeherrschung, was auch wieder scheiße ist. (Keine Wertung mehr, kein "Das Eine ist besser als das Andere". Weil das dumm ist. Beides ist notwendig, beides gehört dazu. Keines soll das das andere überwältigen oder klein machen.)

Ich bin ein Mädchen und hab mich trotzdem nicht weinen lassen.
(Ja, nicht nur Jungen lernen, dass Weinen doof ist. Mädchen kriegen im Patriarchat auch Kackscheiße indoktriniert. "Du weinst, weil du schwach bist, schwach und ein Mädchen." "Na, dann wein ich halt nicht mehr und bin zwar noch ein Mädchen, aber nicht mehr so schwach.")

2012-05-02

traumschaumbart

gestern nacht träumte ich davon, wie wir, also meine familie, also ohne meinen vater, unsere frühere wohnung in gießen besuchten, die wohnung, in der ich die ersten drei jahre meines lebens gelebt habe. witzig: während des traums dachte ich bei allen räumen dort "ja! genau so sah es aus!". jetzt, wo ich mich in der realität erinnere und realität und traum vergleiche, sehe ich: nein. nur wenige ähnlichkeiten. es war nicht mal eine keller-, sondern eine dachwohnung. aber so ist das ja mit der traumlogik: alles ist klar und kein zweifel vorhanden.


jedenfalls, dort waren wir. auch die räume, an die ich mich nicht so gut erinnere, nämlich mein kinderzimmer und das abstellkammergroße arbeitszimmer meines vaters, hat mein traum erstaunlich gut gebaut und ausgestattet. wie gesagt, wenn auch nicht sehr an der realität orientiert. das seltsamste: dort war noch zeug von uns. obwohl die kellerwohnung uns damals nur vermietet war und inzwischen vielleicht gar nicht mehr oder nicht mehr in der form existiert. mein vater hatte in seinem arbeitszimmer unglaublich viel zeug zurückgelassen. ein alter videorecorder war immer noch an den strom angeschlossen und hatte innerhalb der letzten 17, 18 jahre die ganze zeit ein und dieselbe videocassette gefressen, deren film inzwischen ganz kaputt und verkrumpelt war, ich konnte anhand einiger bilder aber trotzdem noch feststellen, welcher film das mal gewesen war und zog dann den stecker des videorecorders. alles etwas gespenstisch, diese vielen gegenstände, die dort so lange geruht hatten, völlig für sich.
wir trafen auch noch irgendwelche kinder und leute, die ich im traum als von damals erkannte, jetzt, im wachen zustand, bin ich mir nicht mal sicher, ob es sie gibt und wenn, ob ich sie kenne. jedenfalls, mit denen habe ich dann zusammen ein paar bilder auf buntem papier gemalt, an das wir auch wollfäden geklebt haben.


der klarste und greifbarste moment war der, als ich vor der offenen badezimmertür hinhockte, um nach den beiden unterschiedlich großen fliesen zu suchen, die dort immer waren und die man rausnehmen konnte und die damals mein allerliebstes lieblingspuzzel waren und mir immer noch deutlich in erinnerung sind. und obwohl alles in der wohnung einfach in seinem urzustand belassen worden war – gerade meinen geliebten badezimmerfußboden hatten sie renoviert und ich fand die lockeren fliesen nicht. es war nicht mal mehr dasselbe fliesenmuster. sogar im traum gab es also so einen "dahin kannst du nicht zurück"-moment, sehr traurig. also hab ich angefangen zu weinen, im traum (und jetzt schon wieder), aber ich habs vor den anderen versteckt.


sehr seltsam alles, sehr sehr seltsam. so frühe kindheitserinnerungen sind sowieso schon so traumartig und jetzt hab ich also auch noch einen kindheitstraum zu erinnern.


(ach, wie ich diese beiden fliesen vermisse und überhaupt so vieles, woran ich mich erinnere, zu dem ich aber nicht zurück kann.)

2012-05-01

Maria lernt das mit dem glücklich oder zufrieden sein und es ist seltsam.


"Wenn ich traurig bin und ich nicht mehr weiß, wohin, sing ich ein Lied:
Eines Tages wird das alles anders sein. Bleib nur fröhlich, fühlst du dich auch ganz allein!"


Ein Zitat aus einem Lied aus einem Kindermusical, das nicht so wirklich cool ist, aber das hier ist nett.


Mir wird ein bisschen komisch, wenn ich mir angucke, dass ich mich zur Zeit als glücklich empfinde. Ich meine, ich weine nicht weniger als vorher, vielleicht sogar mehr und manchmal aus winzigen Gründen, der Stress in der Ausbildung steigt wieder, weil Leistung erbracht werden muss und auch sonst ist da Zeug in meinem Leben, das der allgemeinen Definition von "Glück" nicht wirklich entspricht - und trotzdem bezeichne ich mich das erste Mal als "glücklich". "Glücklich" oder auch "zufrieden", das ist die Grundstimmung, selbst wenn ich traurig bin oder wütend oder überfordert. Alles sehr seltsam.


Der ausschlaggebende Punkt ist glaube ich, dass ich mich annehme. Und mich dadurch ganz fühle, zum ersten Mal. Keine Teile mehr, die abgeurteilt werden, die auf die Fresse kriegen, wenn sie sich zu Wort melden. Nein. Ein geduldiges sich gegenseitig an die Hand nehmen. Und das ist wahrscheinlich der Grund, warum es mir gerade so gut geht, obwohl die äußeren Umstände nicht unbedingt dafür sprechen.


Wie gesagt, alles sehr seltsam.